Heinkel He 72 „Kadett“

Bild-Quelle: Archiv, Peter W. Cohausz

Schulflugzeug der Luftwaffe

Die hier beschriebene Gerätetafel des Flugzeugführersitzes stammt eindeutig von einem relativ frühen Baumuster, was gut an der frühen Instrumentierung ersichtlich ist.
Viele dieser frühen Geräte wurden im Zuge der Vereinheitlichung der Flugzeugausrüstung durch das RLM ab dem Jahr 1939/40 nicht mehr hergestellt bzw. eingebaut.

Die zweisitzige Heinkel He 72 „Kadett“ entstand 1933 als zweisitziger Schul- und Übungsdoppeldecker in einer Land- und Seeausführung.
Die in relativ kleinen Stückzahlen produzierte Anfangsserie He 72A war noch mit dem Argus As 8 R Reihenmotor (150 PS) motorisiert.
Die spätere Serienmaschine He 72 B wurde dagegen mit dem luftgekühlten Siebenzylinder-Sternmotor BMW-Bramo Sh 14 A (160 PS) ausgerüstet.

Dieser verspannte, einstielige Doppeldecker entsprach der damals vorherrschender Bauweise.
Der Rumpf aus geschweißtem Stahlrohrgerüst mit Stoffbespannung, und die Tragflügel in zweiholmiger Holzbauweise mit Sperrholznase und Stoffbespannung.
Der vordere Sitz war für den Beobachter, Flugschüler oder Fluggast vorgesehen, der hintere Sitz für den Flugzeugführer. Die He 72 verfügte über eine Doppelsteuerung mit Stoßstangenübertragung.
Die Maximalgeschwindigkeit betrug ca. 185 km/h und die Dienstgipfelhöhe lag bei ca. 3500m.

Die recht übersichtlich wirkende Gerätetafel ist perfekt der Form des Flugzeugrumpfes angepasst.
Da die Lackierung der Gerätetafel recht dunkel wirkt, kann als Farbton RLM 02 (helles Graugrün) ausgeschlossen werden. Vermutlich wurde eine frühe Farbgebung von RLM 66 (dunkles Blaugrau) aufgetragen.

Die Gerätetafel besteht aus 2mm starkem Aluminiumblech (Duralumin), und ist an der Unterkannte durch ein aufgenietetes L-Profil aus Aluminium verstärkt.

Um einen schwingungsarmen Einbau der Gerätetafel am Rumpfgerüst zu gewährleisten, wurden entsprechende Löcher, zur Aufnahme der speziellen „Pufferbefestigungen“ ausgespart.
Die 3 „Pufferbefestigungen“ befinden sich ganz links und rechts, sowohl mittig im oberen Bereich der Gerätetafel. Diese Spezialbefestigungen bestehen aus einem runden Metallflansch, in dessen Mitte ein stabiler, zylindrischer Kautschukblock eingelassen ist. Der Kautschukblock hat mittig eine entsprechende Bohrung zur Befestigung der Gerätetafel am Rumpfgerüst. Der runde Metallflansch der „Pufferbefestigung“ ist mittels 3 Metallschrauben fest mit der Gerätetafel verbunden.

Die Anordnung der Geräte ist konventionell ausgeführt.
In der Mitte befinden sich die Flugüberwachungs- und Navigationsinstrumente, links die Motorbedienung und Netzausschalter fürs Bordnetz, rechts die Motorüberwachungsgeräte.

Bemerkenswert ist die Vielzahl der aufgenieteten und aufgeschraubten Hinweisschilder, sowie der handschriftliche Hinweis über dem Drehzahlmesser: „Kraftstoffverbrauch im Sparflug 25 l/h“, welcher mit Pinsel und weißer Farbe aufgetragen wurde.
Für eine frühe Gerätetafel eher typisch ist die Befestigung der Instrumente von der Hinterseite. Dabei wurden zur Befestigung mit Metallschrauben (M4) spezielle quadratische Muttern verwendet, deren Größe so bemessen war, dass sie sich am Instrumentengehäuse gegen ein Herausdrehen selbst sicherten.

Auch die farbliche Markierung der Motorüberwachungsinstrumente entspricht dem Standard, und sollte den Flugzeugführern helfen, einen schnellen Überblick über die Motordaten zu erhalten.

Ja und wer sich jetzt fragt, wo sich denn der Führerkompass befindet, der sei beruhigt.
Auf unserem Fotoausschnitt ist der Kompass leider nicht zu sehen.
Der hier vorgesehene Führerkompass „Z 4“ war über dem Windschutzaufbau hinter der Windschutzscheibe eingebaut.
Entweder war nicht genug Platz in der Gerätetafel vorhanden, oder, was wesentlich logischer klingt, man konnte somit geschickt die magnetische Beeinflussung des Magnetkompasses durch Metallteile oder Geräte (z.B. Zündschalter) verhindern. Die Kompassablesung war an dieser Stelle natürlich optimal im Blickfeld des Flugzeugführers.

Warum anstelle des Wendezeigers ein Blinddeckel eingebaut ist, und die Borduhr fehlt, habe ich in der „Cockpitanalyse“ beschrieben.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Peter W. Cohausz für die freundliche zur Verfügungsstellung der hier abgebildeten historischen Cockpitfotografien.

Berlin, den 28.Januar 2008

Oliver Jordan

Quellenangabe:

– „Cockpits deutscher Flugzeuge“, Peter W. Cohausz, Aviatic Verlag, 2000
– „Flugzeugtypenbuch“ Ausgabe1937/38, Helmut Schneider, Hermann Beyer Verlag, 1937

Gerätetafel – Analyse

Geräteauflistung Heinkel He 72

Es wird speziell nur auf die Instrumentierung der Führergerätetafel des hinteren Sitzes der He 72 auf den hier abgebildeten Fotos eingegangen !

1. Grobhöhenmesser Fl.22307 oder Fl.22316-6
2. Blinddeckel, Wendezeiger Fl.22402
3. Fahrtmesser Fl.22209 , Baumuster: „Lr 19r“
4. Drehzahlmesser Fl.20213 oder Fl.20219
5. Vorratsmesser für Kraftstoff Fl.20710, Baumuster: UA 1/80
6. Einbauloch für Borduhr Fl.22602
7. Dampfdruckthermometer Fl.20336-4 oder Fl.20308-4
8. Druckmesser Fl.20604 oder Fl. 20605 oder Fl.20606 oder Fl.20608 oder Fl.20625
9. Druckmesser Fl.20504 oder Fl.20505 oder Fl.20506
10. Luftpumpe für Vorratsmesser Fl.20742-1, Baumuster: LP3
11. Zündschalter Fl.21109 (SSH 32/ 1Z) oder Fl.21110 (SSH 32/ 2Z)
12. Zugknopf für Reservekraftstoff Gerät- Nr. ? Fl.? / Gerät-Nr. ?
13. Einbauloch für Beleuchtungsschalter Fl.26643
14. Netzausschalter Fl.32301 mit Abdeckung
15. Führerkompass Fl.23208

Bild-Quelle: Archiv, Peter W. Cohausz

Bild-Quelle: Lehrbildreihe, Archiv, Peter W. Cohausz