Bemannte V1, die Fi 103 Re-4

„Reichenberg“

Erläuterung des Verfassers:

Als in den letzten Kriegsjahren die Aussichten auf einen militärischen Sieg für Deutschland immer geringer wurden,gründete und formierte sich eine Gruppe entschlossener Männer ,um sich gegen die alliierte Übermacht durch gezielte und wirksame Einzelaktionen selbst zu opfern und um damit eine entscheidende Wende im Kriegsverlauf zu Gunsten Deutschlands zu erreichen.
Man kann sich heute nur sehr schwer vorstellen,was diese Menschen damals bewegte und dazu veranlasste freiwillig ihr Leben zu opfern. Es gab keinen Aufruf oder Ähnliches,vielmehr gab es mündliche Mitteilungen und auch persönliche Briefe. Wahrscheinlich war es der Propaganda zuzuschreiben,die das Opfer des eigenen Lebens für die Volksgemeinschaft als völlig normal ansah. Mitunter hat aber auch der Verlust der eigenen Familie bei einem alliierten Bombenangriff zur Entscheidung des Flugzeugführers beigetragen.

Diese SO-Gruppe (SO = Selbst Opfer) gehörte zum Kampfgeschwader KG 200 und nannte sich „Leonidas“.

Leonidas war der König von Sparta der mit seinem Opfertod 480 v.Chr. im Kampf gegen die übermächtigen Perser in die Geschichtsannalen einging.

Er kämpfte mit seinen Männern einen aussichtslosen Kampf gegen eine gewaltige Übermacht der Perser. Nur durch die hierdurch gewonnene Zeit konnte sich das griechische Heer neu formieren und die Perser letztlich vernichtend schlagen.)

Die II.Gruppe der 2.Staffel des KG 200 bestand aus 79 Freiwilligen die sich ohne besondere Aufforderung bis zum 16.Januar 1944 meldeten. 16 davon unterschrieben für einen Einsatz ohne Wiederkehr. Diese SO-Staffel (Selbst Opfer-Staffel) wurde Oberleutnant Karl-Heinz Lange unterstellt,der als Angehöriger der Gruppe „Granit“ maßgeblich zum Erfolg bei der Erstürmung des belgischen Sperrforts Eben Emael am Albert Kanal beigetragen hatte.

Es gab 2 Möglichkeiten die man zur Durchführung des Einsatzes in Betracht ziehen konnte:

1. der Pilot steuerte seine bemannte Flugbombe möglichst nahe auf das Ziel und sprang letztlich ab. Diese Version war allerdings trotzdem sehr riskant,da die Pilotenkanzel direkt vor dem Lufteinlass des Triebwerkes lag und der Pilot dadurch evtl. beim Absprung anschlagen und somit bewusstlos werden konnte. Was nun bei der auch geringen Flughöhe unweigerlich zum Tod geführt hätte.

2. Der Pilot steuert seine Flugbombe direkt auf das Ziel und opfert sich dadurch auch selbst.

Mitte 1944 hatte auch die berühmte Hanna Reitsch von der Gruppe Leonidas gehört und von ihren hohen Idealen getrieben vertrat sie diese Selbstopferidee und versuchte bei Adolf Hitler eine Befürwortung zu erreichen.

Fantasie-Gemälde eines fiktiven Abschusses

Hitler war allerdings davon überhaupt nicht angetan und lehnte diese So-Einsätze ab. Als die SS allerdings immer mehr das Geschehen im damaligen Deutschen Reich übernahm,umso weniger Skrupel hatte man gegen einem massierten SO-Einsatz. Dies war auch die Geburtsstunde der Fi 103 Reichenberg. Zum Glück kam es aber für die Freiwilligen der Gruppe Leonidas im weiteren Kriegsverlauf nicht mehr zu einem Einsatz. Das Projekt Reichenberg war gescheitert,dies lag allerdings nicht an den Beteiligten,sondern daran das einfach kein ideales Einsatzgerät vorhanden war. Die Reichenberg konnte die in sie gesetzten Anforderungen nicht erfüllen. Während der Flugerprobung gelang es z.b. nicht den geforderten Geschwindigkeitsbereich von 750 km/h – 780 km/h zu erreichen.
Dies lag vor allem daran,dass die Kabinenhaube ,die vor dem Lufteinlass des Triebwerks angeordnet war, Strömungsverwirbelungen vor dem Lufteinlass verursachte und es somit zu einer Leistungsbeeinträchtigung des Triebwerks kam. Fliegerisch war die Fi 103 leicht zu handhaben und ließ sich gut beherrschen,allerdings war sie um ihre Längsachse etwas „flatterhaft“. Diese Eigenschaft konnte man nur durch eine ständige Kurskorrektur ausgleichen,praktisch bis zum Zieleinschlag.
Dadurch war eine erhoffte Überlebenschance von vornherein kaum gegeben. Des weiteren ging man davon aus,dass die mitgeführte Sprengstoffmenge von 850 kg nicht unbedingt ausreichte ,um ein Schlachtschiff oder ähnliches vernichten zu können,sodass der Einsatz der Reichenberg als sinnlose Vergeudung von „Mensch und Material“ angesehen wurde.
Anzumerken ist aber das kurz vor Kriegsende sinnlose Selbstopfereinsätze mit der Me Bf 109 gegen die Oderbrücken befohlen und auch ausgeführt wurden.(Schulungslehrgang-Elbe)

Zum Gerätebrett:

Das Gerätebrett war aus 10 mm starkem Holz gefertigt und sehr spartanisch ausgestattet.
Bei den Einsatzmaschinen sollten z.B. die Borduhr und der elektrische Wendezeiger komplett wegfallen.
Mein Nachbau des Gerätebrettes zeigt eine Ausstattungsversion einer Erprobungsmaschine.

 

Von links nach rechts gesehen wurden folgende Instrumente verbaut:
Hauptschalter zum Scharfschalten der Sprengladung (hier Replikat)
Borduhr BO-UK1 Fl.23885
Fahrtmesser 100-900 km/h Fl.22234
Fein- und Grobhöhenmesser Fl.22320
Elektrischer Wendezeiger Fl.22414 incl. Kabel mit Stecker das zum Batteriekasten führte.

 

Verfasser: Carl Herberg,

Deutschland den 25.04.2007

 

Das spartanisch eingerichtete Cockpit der Reichenberg Geräte:

Ausrüstung der Fi 103 Re4 :

1. Gerätebrett
2. Hinweisstafel Für das Triebwerk
3. Hauptschalter für die Bewaffnung
4. Borduhr Fl.23885
5. Fahrtmesser Fl.22234
6. Fein- Grobhöhenmesser Fl.22320
7. elektrischer Wendezeiger Fl.22414

eventuell auch..
8. Kreiselkompass Fl.22561

Ein Schild auf dem Instrumentenbrett Nr.2, gibt Anweisung, was beim Anlassen und beim Ausfall des Triebwerks zu tun ist :

original Foto eines Gerätebrettes